Mechthild Clauss liest und deutet die Bildsprache in der Urbanskirche

Südwest Presse Online-Dienste GmbH, swp.de | Schwäbisch Hall , BETTINA LOBER | 13.11.2015, Schwäbisch Hall.

Der Artikel wird mit freundlicher Genehmigung des Haller Tagblattes hier abgebildet – Danke dafür!


 

Mechthild Claus

Zwei Jahre hat Mechthild Clauss an dem Buch gearbeitet: Morgen, Samstag, 14.11.2015, stellt die 87-jährige Hallerin ihr Werk in der Urbanskirche vor – jenem Kleinod, dessen reicher Symbolsprache sie auf den Grund geht.

Die Haller Urbanskirche gilt als ein besonderes Schmuckstück. Das ist das um 1230 von den Schenken von Limpurg gebaute Kleinod auch. Für Mechthild Clauss ist die kleine Kirche aber gewiss mehr als lediglich „Schmuck“. Die 87-jährige Hallerin hat sich in den vergangenen zwei Jahren intensiv mit der Urbanskirche und vor allem mit ihrer Kunst-Ausstattung befasst. Daraus ist ein Buch entstanden: „Wo ist Bethlehem? Die spirituelle Bildsprache der Schwäbisch Haller Marienkirche ,unter dem Berg, genannt Urbanskirche“ – mit Fotos von Elmar Zeller vom Freundeskreis der Urbanskirche, gedruckt in der Druckerei Oscar Mahl.

Die Anregung, sich der Bilderrätsel in der Urbanskirche anzunehmen, habe Marianne Gässler-Grau neun Monate vor ihrem Tod gegeben, erzählt Mechthild Clauss voll Dankbarkeit. Sie machte sich ans Werk – und wurde bereitwillig unterstützt. Ihre Schwester Elisabeth, in Hall ist sie als frühere Kinderärztin bekannt, half ihr beim genauen Betrachten der Kunstwerke in der Urbanskirche: „Meine Schwester war mein Auge.“ Mit Fernglas, Stift und Papier verbrachten die Schwestern Clauss viele Stunden in der Kirche. Ob Flügelaltar oder das spätgotische Wandgemälde der Maria mit dem Spinnrocken – Mechthild Clauss nimmt die Details genau unter die Lupe. Warum Maria in dem Fresko dem Spinnen nachgeht? Die Autorin sieht darin „ein meditatives Tun, also ein Gespräch mit Gott“.

Mechthild Clauss wälzte Literatur, machte Notizen, legte Zettelkästen an. „Manchmal bin ich nachts aufgewacht und hatte plötzlich die Lösung“ – dann stand sie auf, setzte sich an ihren Schreibtisch, nahm den Bleistift und legte los.

Schon einmal hat sie ein Buch über die Bedeutung von Fresken verfasst: „Die Engel vom Marienberg im Licht spiritueller Bedeutung“, einst erschienen im Verlag der Benediktinerabtei Sankt Ottilien. Darin schrieb sie über die Fresken in jenem Benediktiner-Kloster im Vinschgau, das sie aus dem Urlaub kannte. „Und das als Protestantin“, sagt sie und lächelt amüsiert. Immerhin sagte der Verlagsleiter zur ihr: „Was Sie schreiben, steht über den Konfessionen.“

Woher kommt ihre Faszination für Bilder, Symbole und deren Deutung? Bereits während der Arbeit an ihrer Dissertation an der Uni Heidelberg hat sie sich mit Symbolen befasst. Auch die altfranzösische Literatur, für die sie sich begeistert, stecke voller Sinnbilder – „ich habe im Mittelalter gelebt, die alte Sprache war mein Lieblingskind“.

Das Faible für Symbole sollte sie auch später im Berufsalltag als Lehrerin begleiten. Sie unterrichtete zunächst in Stuttgart, dann in Giengen an der Brenz, wo sie Kontakt zum Albert-Schweitzer-Freundeskreis knüpfte. Sie bekam die Möglichkeit, sechs Wochen bei Schweitzer im Krankenhaus in Lambarene in Gabun zu arbeiten, schrieb dort für ihn Dankesbriefe, hielt Nachtwache bei einem sterbenskranken Jungen. Ihre Erfahrungen dort entbrannten sie für eine Arbeit in Afrika.

Wieder zurück in Deutschland, bereitete sie sich gründlich vor. Schließlich kam sie nach Libamba in Kamerun. Mit ihren Schülern sprach sie über afrikanische Kultur, über deren Religion und entdeckte in vielen Symbolen Parallelen: „Zum Beispiel: Wir haben die Engel, meine Schüler erzählten von ihren Ahnen.“ So sei ein gegenseitiges Verständnis erwachsen, schildert Mechthild Clauss die Begegnung auf Augenhöhe.

Immer wieder unterbrochen durch Einsätze in Deutschland, hat sie 16 Jahre lang in Afrika unterrichtet. Eine für sie wichtige Erkenntnis: „Symbole sind in allen Religionen wichtig.“ So soll ihr Buch über die Urbanskirche mithelfen, die Symbole in den Kunstwerken quasi mit den Augen ihrer Schöpfer sehen zu können und sie zu verstehen. Mechthild Clauss schreibt dazu in ihrem Vorwort: „Große Kunstwerke aus vergangener Zeit können auch heute noch in Wort und Bild zu uns sprechen, weil ihre Botschaft über den Zeiten steht und – allen Epochen verbunden – dem Fragenden Antwort gibt.