Auszug aus dem Haller Tagblatt | SWP vom 03.12.2014 | BURKHART GOETHE | 03.12.2014
SCHWÄBISCH HALL
Von der Taufe bis zur Bestattung
Endlich erklingt in der Vorstadt Unterlimpurg wieder das Spiel von Glocken, wenn es Zeit zum Gottesdienst ist. Am Sonntag wurde das neue Geläut feierlich in Gebrauch genommen.
Gesamtkosten: 120.000 Euro.
Jetzt ist das Geläut wieder komplett: die Tauf-, die Kreuz- und die Marienglocke hängen Seite an Seite im erneuerten Turmabschnitt der Urbanskirche in der Vorstadt Unterlimpurg. Nun erklingt ihr Spiel wieder zum Gottesdienst.
Ein ganzes Jahr lang rief sonntags im „Unterlimpurger Viertel“ kein Geläut mehr zu den Gottesdiensten in die Urbanskirche: Die einzige, zuletzt noch vorhandene Glocke aus einem ursprünglich dreistimmigen Geläut, die Kreuzglocke aus dem Jahre 1688, war im Herbst 2013 abgehängt und überholt worden. Gleichzeitig wurde der Wunsch erfüllt, das Geläut wieder zu komplettieren und die beiden 1917 zu Rüstungszwecken beschlagnahmten und nie wieder zurückgekehrten Glocken zu ersetzen.
Dies wurde möglich durch zahlreiche Spenden und Beiträge kirchlicher, staatlicher und städtischer Mittel, vor allem aber durch das Engagement der Haller Bürger. Allen voran der „Freundeskreis Urbanskirche“, der sich seit zehn Jahren um die Erhaltung der Kirche verdient gemacht hat und sie mit Leben erfüllt.
Die beiden neuen Glocken wurden nach der Disposition des landeskirchlichen Glockensachverständigen Claus Huber in der Glockengießerei Bachert in Karlsruhe gegossen. Beim Guss der Taufglocke im vergangenen Juni waren Mitglieder der Kirchengemeinde, des Freundeskreises und Interessierte aus Schwäbisch Hall anwesend.
Die eingegossenen Sprüche und die Glockenzier waren künstlerisch durch Dekan i. R. Dieter Eisenhardt, dem Gründer und früheren Leiter des Glockenmuseums Herrenberg, ausgeführt und ihre Gestaltung bereits nach der Anlieferung der Glocken auf dem Kirchhof der Öffentlichkeit vorgestellt worden.
Während des Adventsgottesdienstes waren die drei Glocken erstmals zu hören. Eine Weihe oder Segnung von Sachen gibt es in der evangelischen Kirche nicht, aber das neue Geläut wurde mit Schriftlesungen und einem alten Glockengebet von 1455 feierlich in Gebrauch genommen. Pfarrer Christoph Baisch stellte dabei zunächst alle drei Glocken und die auf ihnen verewigten Sprüche vor: die neue Taufglocke als kleinste mit dem Schlagton fis, dann die alte Kreuzglocke mit dem Ton d und schließlich die große Marienglocke, benannt nach der Patronin der Kirche, mit dem Ton h.
Zuerst erklangen die Glocken einzeln, dann ertönte das Vollgeläut, wobei die Gemeinde zusammen mit der Orgel schließlich mit dem Adventslied „O Heiland, reiß‘ die Himmel auf“ einstimmte.
In seiner Predigt ging Pfarrer Baisch auf den Spruch der Marienglocke, den Lobgesang der Maria aus Lukas 1 ein – ein „unbequemes“ Lied, weil Gottes Blick auf die Menschen darin auch zum Blick auf das Unrecht dieser Welt wird. So sei die Marienglocke, die künftig zu den Tageszeiten ans Gebet erinnert, zugleich Mahnung und Aufruf, sich dem Nächsten zuzuwenden. Baisch wies darauf hin, dass in den folgenden Sonntagsgottesdiensten auch auf die anderen Sprüche in den Predigten eingegangen werden soll.
Gegen Ende des Gottesdienstes wurde in drei Grußworten nochmals das Thema „Glocke“ aus unterschiedlicher Sicht aufgenommen: Architekt Georg Schuch, der nicht nur den Einbau der Glocken, sondern auch die Renovierung des Turmes und des Glockenstuhles betreut hatte, berichtete von den Schwierigkeiten im Kampf mit verfallenen Holzteilen, die enorme Enge bei den Arbeiten und dem Ringen um eine solide Statik für die kommenden Jahrzehnte. So musste die komplette Achse des alten Glockenstuhles mühsam erneuert werden. Als dieser fertig war und die Glocken aufgehängt werden sollten, hatte sich gezeigt, dass die große Glocke sechs Zentimeter größer als vorgesehen und der Stuhl einen Zentimeter zu klein war, sodass noch gehobelt werden musste.
Dekanin Anne-Kathrin Kruse begann mit einer typischen Frage in der theologischen Dienstprüfung: „Wann beginnt ein Gottesdienst?“ Natürlich mit dem Geläut der Glocken, auch wenn dies heute manchmal in Vergessenheit gerät. Sie zählte auf, was die alte Glocke den beiden „Nachzüglerinnen“ von ihrer Aufgabe zu berichten habe: nämlich Mittragen und Trösten in Freude und Leid, von der Taufe bis zur Bestattung.
Das Geläut fügt sich nun harmonisch in die Glocken von St. Katharina, St. Michael sowie der St. Josephskirche ein.
Info: Burkhart Goethe ist Orgelsachverständiger der Evangelischen Landeskirche Württemberg